Wohin man auch blickt in der Natur – irgendwie scheint doch alles gemeinsam eine Ordnung zu ergeben. Bienen und Blüten sind nur eines der vielen Beispiele für das Ineinandergreifen der unzähligen Einzelerscheinungen, die ihre sinnvolle Gestalt erst in der Gesamtschau preisgeben. Für die alten Griechen war dies der Grund, eine göttliche Instanz zu vermuten, und ihr Gedanke war einfach: Wo niemand ordnet mit Verstand, da herrscht Chaos. Von alleine ergibt sich nur Unordnung. Die Schöpfung präsentiert sich aber nicht chaotisch, sondern geordnet, jedes Ding hat seinen Platz und seinen Sinn. Bis ins kleinste Detail ist alles so wunderbar, daß dies ohne eine göttliche Steuerung ganz undenkbar wäre.
Niemand ist gezwungen, sich diesem Argument anzuschließen; nach Darwin war die Welt nicht mehr dieselbe. Aber nicht zu leugnen ist doch, daß wir, je weiter die Wissenschaft vordringt, desto mehr sinnvolle Zusammenhänge erkennen. Eine ganz nutzlose Einrichtung der Natur – die wurde noch nicht entdeckt.
Auch eine Medizin, die diesen Namen verdient, muß sich auf die Spuren der geordneten Zusammenhänge machen. Unsere Vorfahren schlugen genau diesen Weg ein, ohne exakte Kenntnis von Biologie, Chemie, Physik, Nerven und Hormonen. Sie hatten keine Geräte, mit denen sie den Menschen durchleuchteten und sein Inneres sichtbar machten. Aber sie hatten Erfahrung, Gefühl, Intuition und Verstand. Sie wußten, daß die Organe im Inneren, das äußerlich Sichtbare und die Psyche eine Einheit bilden. An dieser Einheit richtete sich ihre Medizin aus.
Die überlieferten Diagnosen und Therapien zeugen vom Nutzen dieser sinnhaften Gesamtgestalt für die Gesundheit. Nur ein Beispiel: Von außen Herzbeschwerden lindern? Das geht über den linken Arm, wie die Empirie die Ahnen lehrte (mehr dazu in einer der nächsten Ausgaben). Gott sei Dank ist dieses alte Wissen heute nicht ganz verschwunden: Ein ausstrahlender Schmerz im linken Arm ist als mögliches Symptom einer pektanginösen Gefäßverengung im Herzen bekannt. Aber den umgekehrten Weg, die Therapie von außen nach innen über den Arm, vergißt die moderne (evidenzbasierte) Medizin.
Sinn in der Gesamtheit
Wenn also der Blick in die Natur uns lehrt, daß das Einzelding für sich genommen kaum seinen Sinn allein in sich tragen kann, dann eröffnet uns dies auch den Blick auf uns selbst. Der schmerzende Arm allein erscheint uns ohne seinen Organismus ganz sinnlos; die Bienen und ihr Summen ohne das Blumenmeer sind undenkbar (siehe Kurz und bündig). So findet auch jeder einzelne von uns Menschen seinen Sinn nicht ganz alleine. Wie all die anderen Dinge der Natur liegt unser Sinn in unseren Beziehungen zu allem, was uns umgibt, vor allem zu den Menschen. Vor allem, aber nicht nur: Auch zu allen anderen Teilen der Natur stehen wir in einer sinnvollen Verbindung. Suchen wir unseren Sinn alleine oder abgehoben als Krone der Schöpfung, dann ist das so, als fragten wir nach dem Sinn der Biene in einem Vakuum. Eine sonderbare Frage wäre das. Suchen wir nach unserem persönlichen und unserem gemeinsamen Sinn lieber dort, wo ihn Gott oder die Natur oder das Schicksal angelegt haben: in der Gemeinschaft.
Ihr Dr. Georgios Pandalis