Von der Stirne heiß Rinnen muß der Schweiß, Soll das Werk den Meister loben; Doch der Segen kommt von oben. (Friedrich Schiller)
In diesem Sommer beschwerten sich besonders viele Menschen über vermehrtes Schwitzen und hofften auf unseren Rat. Wir mußten feststellen, daß in unserer Gesellschaft der Sinn für das Normale häufig verlorengegangen ist. Die oftmals schwül-warme Witterung sorgte dafür, daß der Schweiß auf der Haut nicht verdunstete. Mehr sichtbarer Schweiß ist die logische Folge. Ob Menschen leicht und viel schwitzen ist vor allem Ausdruck unserer genetischen Variabilität und unserer epigenetisch bedingten Individualität. Mancher hat niemals auch nur den kleinsten Schweißflecken im Hemd, anderen steht auch ohne jeden Anlaß ständig der Schweiß auf der Stirn. Die Akzeptanz biologischer Vielfalt gehört aber nicht zu den Stärken unserer Gesellschaft. Der natürliche Vorgang des Schwitzens wird mit Naserümpfen betrachtet. Stark schwitzende Menschen werden schief angeguckt, oder sogar gemieden. Die Betroffenen schämen sich und leiden meist mehr unter den mißbilligenden Blicken ihrer Mitmenschen, als unter dem Wasserverlust.
Früher sah man das ganz anders. Und wie Sie als Leser unserer Urheimischen Notizen längst wissen, hilft uns die Betrachtung der Geschichte bei der Einschätzung, was wirklich gut und wichtig für den Erhalt unserer Gesundheit ist.
Der Schweiß (lat. suder, griech. hidrós) war in der Einschätzung unserer Vorfahren etwas durchweg Gutes. Er spielte eine zentrale Rolle in der antiken Lehre von den Körpersäften. Schweiß wurde wie Urin zur Diagnostik verwendet („Hidroskopie“). Man nahm an, daß über den Schweiß bestimmte Überreste der Verdauung ausgeschieden würden. Die Idee von Gesundheitspflege durch Vermehrung des Schwitzens ist uralt und findet sich rund um den Globus. Als Vorform der Sauna gilt das germanische Schweißbad, bei dem unter einem Zelt Kräuter-Heißdampf aufwallte. Ob bei Finnen, Russen oder Indianern – heiße Schwitzbäder dienen bis heute der Reinigung von innen und der Stärkung des Körpers. Traten bei Schwerkranken endlich Schweißausbrüche auf, wurden sie als Zeichen erstarkender Natur und beginnender Genesung gedeutet 1 – 4).
Auch der „alltägliche“ Schweiß galt als etwas Gutes. Wer bei Leibesübungen, Wettkämpfen oder der Arbeit schwitzte, zeigte damit, daß er sich ernsthaft bemühte. Termini wie „schweißnaß“, „schweißtriefend“, „schweißgebadet“ waren positiv besetzt 1 – 4). Heutzutage akzeptieren wir starkes Schwitzen nur noch im Kontext von Sport oder Wellness (Sauna). Menschen, die körperlich arbeiten und dadurch transpirieren, gehören eher zu wenig angesehenen Gesellschaftsschichten. Auch wer im Büro mit verschwitztem Hemd sitzt, sinkt im Ansehen von Kollegen und Chef.