Dunkle Wolken haben sich über der Ukraine zusammengeballt. Wer da gegen wen kämpft, ist kaum auszumachen – aber Tag für Tag lassen Menschen ihr Leben. Während dieses sinnlose Sterben weitergeht, rangeln hinter verschlossenen Türen Politiker und Wirtschaftsbosse um neue Einflußsphären, neue Wirtschaftsmacht und immer mehr Steuer-Milliarden für die Rüstungs- und andere Industrien. Doch der neue „Eiserne Vorhang“, der sich jetzt durch die Sanktionen des Westens und die nachfolgenden Handelsbeschränkungen Rußlands auftut, verbreitet bei den wirklich betroffenen Menschen in Ost und West vor allem folgendes: Angst, Resignation und tiefe Traurigkeit. Die Kriegshetze in nahezu allen Medien tut ihr Übriges.
Natürlich, den Kalten Krieg hat der damalige Ostblock seinerzeit nach Punkten verloren. Doch ist es notwendig, daß der Westen seither hemmungslos seine wirtschaftlichen und politischen Ziele in Osteuropa zu verwirklichen sucht? Müssen wir wirklich fremden Ländern „beistehen“ oder unsere „Freiheit am Hindukusch verteidigen“, damit unsere Vorstellungen von den freiheitlichen, demokratischen Grundrechten und „freien Märkten“ auch dort gelten? Ich empfinde das als große Heuchelei! Welche Freiheiten wollen wir denn da exportieren? Erst ab Juli jeden Jahres arbeiten wir Steuerzahler nicht mehr für den Staat und seine Subventionsempfänger, sondern wirklich für uns und unsere Familien. Mit unseren schnellen Autos, die uns so viel Freiheit bringen sollen, stehen wir immer öfter nur im Stau. Bei der Freiheiten für die Ukraine – die ein vom Westen gesponserter Ex-Boxer propagiert – geht es in Wirklichkeit vor allem um die Öffnung der Märkte für Güter „Made in Germany“, die unseren freien Lebensstil verkörpern sollen.
Was mich aus urheimischer Sicht besonders erschüttert, ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der wir einen Lebensstil zum Vorbild erklären, der viele Menschen bei uns übergewichtig, unfruchtbar oder seelisch krank werden läßt. Und nun wollen die Russen die von unserer gülleschleudernden Agroindustrie hergestellten Waren nicht mehr importieren! Sie wollen unsere „leckeren“ krankgezüchteten und unter erbärmlichsten Zuständen gemästeten Schweine nicht mehr haben! Dabei schießen Tiermastanlagen wie Pilze aus dem Boden, um auch andere Länder mit unserem Billigstfleisch zu „beglücken“. Die subventionierte Produktion zahlen wir alle mit der nachhaltigen Verseuchung unserer Lebenswelt. Gerechterweise sollte jeder Transport von Schlachtschweinen von mehreren Fässern Gülle eskortiert werden. Zu jedem Kilo EU-Fleisch, das über die Metzgertheke gereicht wird – ob in Rußland oder bei uns – sollte auch eine Literflasche Jauche den Besitzer wechseln. Für die Gesundheit russischer Menschen könnte das Embargo sogar vorteilhaft sein: Weniger Fleischkonsum verlängert, wie die letzten Großstudien zur vegetarischen Ernährung gezeigt haben, das Leben um viele Jahre.
Unsere fehlgeleitete industrielle Landwirtschaft machte unsere Bauern von stolzen Unternehmern zu Bittstellern und Almosenempfängern bei der EU. Sie sind durch den Subventions-Tropf gleichzeitig abhängig und verwöhnt. Kein Wunder, daß der Ruf der mächtigen Agrarlobby nach Entschädigungszahlungen für die entgangenen Exporte schon wieder reflexartig ertönt. Ich kann mir diese Aussage erlauben, denn ich bin ein Sohn echter Bauern. Diese fleißigen Menschen hatten allein mit ihrer Hände Arbeit und ganz ohne Beihilfen ihr Auskommen. Und ich stelle fest, daß wir uns gemeinsam dafür einsetzen sollten, daß Bauern wieder wirkliche „Lebensmittel“ herstellen – also Produkte, die nicht Krankheit und Tod bringen, sondern tatsächlich dem „Leben“ dienen.