Während unsere Angela auf Kosten der Steuerzahler deutsche Umkleidekabinen auf brasilianischem Boden unsicher macht, um mit überbezahlten WM-Spielern „Selfies“ zu schießen, geht in unserem ach-so-idyllischen Land das Leben weiter: Die Vorstandsvorsitzenden unserer gesetzlichen Krankenkassen streichen weiterhin steigende Gehälter und satte Sonderzahlungen ein, finanziert durch unsere Krankenversicherungsbeiträge. Die Großbauern bekommen weiter großzügige Agrarsubventionen für ihre Landflächen – egal, ob sie sie beackern oder nicht. Laut einer Veröffentlichung des Institutes der Deutschen Wirtschaft sind wir hier in Deutschland so zufrieden wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr 1). Zurückgeführt wird dies vor allem auf unsere beschäftigungsfördernde Politik. Ich denke, es liegt eher daran, daß es den Bürgern Deutschlands so bequem gemacht wird. Es ist der berühmte Effekt von „Brot & Spielen“, den die alten Römer so gut beherrschten. Kaum existentielle Probleme, dafür ein üppiges betäubendes Fernsehprogramm vernebeln den Blick für politische Fehlentwicklungen. Herdenverhalten und Mitläufertum machen zufrieden – allerdings zu Lasten von Umbruch und Fortentwicklung. Und offenbar auch zu Lasten der individuellen Gesundheit – immerhin leiden rund 54 Millionen Deutsche, also weit mehr als zwei Drittel der Bevölkerung, unter mehr oder weniger dauerhaften, chronischen Schmerzen 2).
Diese Entwicklung und die daraus resultierenden Konsequenzen für unseren Körper und unsere Psyche sind alles andere als urheimisch. Dies zeigte mir beispielsweise das Schicksal einer Kundin, die mich kürzlich anrief. Fester Bestandteil meiner Arbeit ist nämlich der persönliche Kontakt zu unseren Kundinnen und Kunden. So kann ich einerseits herausfinden, wie unsere Produkte ankommen, ob sie tatsächlich die drängenden Gesundheitsfragen unserer Zeit beantworten. Andererseits zeichnet sich mir ein Bild der gesellschaftlichen Stimmung. Die Kundin, die ich an diesem Tag am Telefon hatte, klagte: „Herr Dr. Pandalis, ich verstehe die Welt nicht mehr. Seit 20 Jahren kommen mir nur Bio-Lebensmittel auf den Tisch. Ich trinke mindestens drei Liter Wasser am Tag und schlafe jeden Tag sieben bis acht Stunden. Dem Rauchen und dem Alkohol habe ich schon vor langer Zeit entsagt. Und dreimal die Woche steht eine Stunde Laufen auf dem Programm. Ich habe immer so gesund gelebt, und nun bin ich trotzdem krank. Wie kann das sein?“
Auf diese Frage habe ich meinerseits einige Fragen gestellt:
• Stammen Ihre Bio-Lebensmittel von alten, urheimischen Obst-, Gemüsesorten und Tierrassen, erzeugt von regionalen, kleinbäuerlichen Bio-Betrieben, oder kaufen Sie plastikverpackte, größen-, form- und geschmacksnormierte, aus der Ferne importierte „Bio“-Massenware im Supermarkt oder Discounter 3)?
• Haben Sie immer Durst, wenn Sie trinken, oder richten Sie sich nur nach den kommerzbasierten Mengenempfehlungen von Nestlé und Co.? Trinken Sie natürliches, regionales Mineralwasser aus Glasflaschen oder Tafelwasser aus weitgereisten Plastikflaschen, die hormonartig wirkende Chemikalien freisetzen 4)?
• Richten Sie Ihr Schlafverhalten nach Ihrem persönlichen circadianen Biorhythmus oder verlegen Sie Ihre Schlafphasen auch schonmal auf den hellichten Tag, nur um die gesellschaftlich propagierten acht Stunden einzuhalten 5)? Und ist Ihr Schlafraum dunkel, ruhig und frei von Elektrosmog oder wird Ihr Zimmer spätabends noch durch Fernseher, Smartphone und die nächtliche Beleuchtung der vielbefahrenen Straße vor Ihrer Tür erhellt?
• Mögen oder vertragen Sie ein gelegentliches entspannendes Bio-Bier oder eine gemütliche Pfeife ehrlich nicht oder raubt Ihnen der Verzicht darauf die Lebensfreude?
• Ist Laufen Ihre Leidenschaft? Macht es Ihnen wahre Freude oder würden Sie viel lieber beispielsweise im Garten arbeiten, in Ruhe spazieren gehen oder mit dem Familienhund toben?
• Schimpfen Sie auch mal heftig, wenn Ihnen danach ist – natürlich nur an die richtige Adresse gerichtet –, oder schlucken Sie jeden Ärger herunter, der äußerlichen Harmonie wegen?
Es ist zuweilen schwer, sich dem gesellschaftlichen Korsett zu entziehen 6). Jegliche Verhaltensweisen werden kategorisch als „gesund“ geadelt oder absolut verteufelt. Wer sich an die von außen oktroyierten Regeln hält, „erkauft“ sich ein Stück Gesundheit – oder einen Ablaßbrief für den Fall, daß er dennoch krank wird. Immerhin kann dann keiner mehr sagen: „Selbst schuld!“ Allerdings: Hinter dieser Gesundheitspropaganda stecken zum einen fast immer die wirtschaftlichen Interessen diverser Industriezweige, zum anderen sind wir natürlich alle individuell verschieden. Was für den einen gesund sein mag, ist es nicht unbedingt für seinen Nachbarn. Um zu erkennen, was uns persönlich wirklich gut tut, müssen wir wieder lernen urheimisch zu leben und auf unseren Körper zu hören: Echter Hunger und Durst, Müdigkeit, die uns zwanglos einschlafen läßt, Lust und Freude an unseren Tätigkeiten…
Selberdenken und ein wenig Rebellion mögen kurzfristig zwar nicht unbedingt die Zufriedenheit steigern, dafür führen sie zu individueller Gesundheit, einem erfüllteren Leben und dem guten Gefühl, sich selbst treu geblieben zu sein.
Ihr Dr. G. Pandalis
1) Enste D, Ewers M, 2014
2) Müller-Jung J: Die Schmach unserer Zivilisation. FAZ 30.06.2014
3) siehe auch Wachsen wir noch oder wuchern wir schon? Urheimische Notizen 1/2013 und Das Ende der Unschuld Urheimische Notizen 2/2006
4) Oehlmann J, Wagner M, 2009
5) siehe Wecker für die innere Uhr Kurz und Bündig diese Ausgabe Urheimische Notizen
6) siehe auch Die neue Währung: Gesundheitsdaten Kurz und Bündig diese Ausgabe Urheimische Notizen