Die Ärzte stellen sich stur, die Kassen sind überfordert und die Politiker wollen sie um jeden Preis durchprügeln: 1 Milliarde Euro wurden bis Ende diesen Jahres bereits in die Gesundheitskarte investiert. Unser einziges Glück ist, daß ihr Potential bisher noch nicht einmal ansatzweise ausgeschöpft wird. Denn in diesem Fall würden sich sämtliche Arztbesuche und persönlichen Daten des Karteninhabers zu einem minutiösen medizinischen Lebenslauf inklusive Foto akkumulieren. Unheimlich. Vor allem die Vorstellung, wer alles Zugang zu diesen Daten hätte und sie als harte Währung mißbrauchen würde – Versicherungen, potentielle Arbeitgeber, womöglich sogar eventuelle Lebenspartner? Das Problem: Man kann sich nicht mehr entziehen. Therapeutische Leistung gibt es nur gegen Vorlage der Karte. Ähnlich gruseln lassen einen sogenannte Health Apps, moderne Gesundheitsanwendungen für das Smartphone, die unsere körperlichen Parameter aufzeichnen und gemeinsam mit anderen medizinischen Daten verwalten. Von wem diese Daten gesehen, gekauft und weiterverwendet werden, will man sich lieber gar nicht vorstellen. Wenn sich solche Gesundheitsüberwachungs- und -speichersysteme durchsetzen, dürften vernünftige Menschen, die sich nicht dogmatisch an den gesellschaftlich diktierten Lebensstil mit nährstoffoptimierter Ernährung, strikten Sport- und Entspannungskursen und rituellen Vorsorgeuntersuchungen halten, bald gnadenlos aussortiert und ins soziale Abseits gedrängt werden. Da helfen nur Petitionen, Demonstrationen, Boykotte und allgemeine Rebellion.
(FAZ 17.06.2014 und 20.06.2014)