Alle Jahre wieder derselbe ausgetretene Pfad: Es ist, als könne man nicht den Frühling begrüßen, ohne am Thema Fasten vorbeizukommen. Im Gegensatz zum Heilfasten, über dessen Sinn und Unsinn wir schon mehrfach berichtet haben 1), hat das jahrtausendelang überlieferte Fasten aus urheimischer Sicht durchaus seine Berechtigung. Immerhin: Große Gelehrte waren vorbildliche Anhänger des Fastens, beispielsweise Pythagoras (570 – 500 v. Chr.). Einen größeren Mathematiker gab es kaum – lag’s am bewußten Verzicht?
Fasten als Lebensmodell?
Die Idee, Verzicht auch außerhalb der Fastenzeit im Alltag zu üben, hatte schon Manes, der im dritten Jahrhundert nach Christus im südlichen Zweistromland lebte und in ostaramäischer Sprache „der lebendige Mani“ genannt wurde. Aufbauend auf bestehenden Glaubensrichtungen wie Judentum, Christentum oder Gnosis verkündete er den Manichäismus, eine Religion, die sich bald über weite Erdteile ausbreiten sollte. Manes ging davon aus, daß das gute, gottbeseelte Lichtreich vom Reich der Dunkelheit einverleibt wurde und dort seither gefangengehalten wird. „Den göttlichen Funken, der in Dunkelheit und Fleisch verhaftet ist, gilt es, wieder mit dem Licht und der Wahrheit zu verbinden.“ Daran aktiv mitzuwirken sei des Menschen Lebensaufgabe. Und so übten sich die Priester des Manichäismus in Askese, lebten ehelos, entsagten körperlicher Arbeit und tierischer Speise und vermieden gar, Pflanzen aus der Erde auszureißen. Weniger asketisch lebte rund 1000 Jahre später ein jüdischer, spanischstämmiger Arzt namens Maimonides. Vielmehr wählte er bewußt den goldenen Mittelweg zwischen allen Extremen. Inspiriert von den Lehren Hippokrates‘ und Galenos‘, ging er zudem davon aus, daß Körper und Psyche sich zum einen gegenseitig beeinflußten – wobei er letzterer generell einen höheren Status zusprach als dem Körper – und zum anderen auch in Wechselwirkung mit ihrer Umgebung stünden. So könne ein körperliches Leiden negative Auswirkungen auf die Seele haben und dadurch letztendlich sogar gesellschaftliche Krisen verschärfen. Umgekehrt postulierte er den „unmittelbaren Zusammenhang zwischen schadhafter Umwelt und psychisch-geistiger Konstitution“.
Modernes Fasten – Macht das Sinn?
Was über die Jahrtausende hinweg immer wieder gelehrte Geister beschäftigte, kann so falsch nicht sein. Doch früher mögen die damaligen Gegebenheiten das genügsame Leben begünstigt haben. Mittlerweile hat die technische Entwicklung unsere Evolution abgehängt, denn noch immer ist es dem Menschen inhärent, zu essen sobald und solange er Nahrung vorfindet. Gleichfalls in materieller und geistiger Hinsicht stehen sich menschliche Konsumfreude und grenzenlose Verfügbarkeit von Gütern, Informationen und Unterhaltungsangeboten gegenüber.
Der Geist ist willig…
Diese Herausforderung zu meistern, erfordert die Schulung unseres wirkungsvollsten Instruments. Angeregte Diskussionen und gescheites Nachdenken besitzen hierfür sicher einen höheren Stellenwert als seine Ablenkung durch Unterhaltungsmedien. Ohnehin: Warum sollten wir unseren Geist zerstreuen? Er ist es, mit dem wir unsere Umgebung erfahren, er ist es, der unser Leben ausmacht! Doch es erfordert Mut, sich seinen Gedanken und Gefühlen ohne Alltagsfluchten zu stellen, sie bewußt wahrzunehmen und möglicherweise Konsequenzen aus ihnen zu ziehen. Langfristig versetzt uns dies jedoch in die Lage, unser Leben bewußter und gesünder zu gestalten, wodurch wir vielleicht einen noch größeren, wertvollen Beitrag in der Gesellschaft leisten können.
…und das Fleisch wird stark
Durch geistige Stärke werden wir standhafter gegenüber den allgegenwärtigen, industriellen Verlockungen, konsumieren gezielter, womöglich ethischer und dadurch automatisch weniger. Vermutlich werden wir empfänglicher für unsere Umwelt und Freud und Leid unserer Mitgeschöpfe, entwickeln Mitgefühl und übernehmen Verantwortung. Wer beispielsweise einmal wirklich hingeschaut hat, unter welchen Bedingungen die von uns ausgenutzten „Nutztiere“ heutzutage herangezogen werden, wird es nicht fertigbringen, weiterhin industriell produzierte Schnitzel, Schinken, Eier und Milch zu essen – mit äußerst günstigen Auswirkungen auf unsere Gesundheit 2): Denn die Wissenschaft liefert zunehmend Hinweise darauf, daß unser heutiges Fleisch Krebs, Typ-2-Diabetes, Gicht und Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht, Haß und Aggressionen steigern kann 3), 4). So hieß es bereits im Alten Testament: „Besser ein Gericht Gemüse und Liebe ist da, als ein gemästeter Ochse und Haß dabei.“ 5) Und wenn wir nach unserem echten Hunger- und Durstgefühl urheimisch essen und trinken, entwickeln wir seltener Übergewicht oder Metabolisches Syndrom.
Warum es den großen Gelehrten nicht gleichtun und unser Leben zu einer Fastenzeit machen? Heute mehr denn je…die Folgegenerationen werden es uns danken.
1) siehe auch Fasten oder Heilfasten Urheimische Notizen 1/2007; Interview mit Dr. Pandalis zum Thema „Urheimisches Fasten“ Urheimische Notizen 1/2012; Unsere Darmflora–Ist sie wirklich unsere? Urheimische Notizen 1/2013
2) siehe auch Kuhmilch bricht die Knochen Kurz und Bündig, diese Ausgabe Urheimische Notizen
3) siehe auch Friß und stirb Urheimische Notizen 4/2013
4) Pan A et al. JAMA 2013.
5) Sprüche Kap. 15, Vers 17