Bereits die Spätantike kannte Klimakuren und praktizierte die Gesundheitspflege an umweltbegünstigten Orten, die meist über heilkräftige Quellen verfügten. Wenn es um Gesundheit geht, sind Qualitätsuntersuchungen meist nicht fern, und so wiesen erste „hydrochemische“ Analysen im Spätmittelalter zahlreiche giftige Substanzen nach. Trotzdem war das Vertrauen in die Heilquellen grenz- und schichtübergreifend so groß, daß sich im frühen 16. Jahrhundert Trinkkuren durchsetzten, die aus Heilbädern Trinkkurorte machten. Doch wirkte sich die bei Trinkkuren übliche Mengensteigerung auf 7 l täglich so gefährlich aus, daß die Todesfälle begannen, die Kirchenbücher zu füllen. „Suffocatus est in balneo“ = „er hat während der Anwendungen aufgehört zu atmen.“, war eine gängige Formulierung und galt als Hinweis auf zerebralen Insult (Schlaganfall), plötzlichen Herztod oder jähes Kreislaufversagen. „Die Baden- Fahrt war seine letzte Reise“, wurde zum geflügelten Wort. Da die Überführung aufwendig und teuer war, wurden fern der Heimat gestorbene Kurgäste am Kurort beigesetzt. Auf Friedhöfen berühmter Badeorte findet man so die Gräber berühmter Patienten. Die gesellschaftliche Faszination, die seit dem Spätmittelalter von den Wild- und Heilbädern ausging, findet sich heute nur noch in den großen, seit Jahrhunderten bekannten Kur- und Badeorten, wenn diese den Anschluß an lukrative Wellness-Träume der postmodernen Fitness-Gesellschaft gefunden haben. Wenn die Spektren von Morbidität, Letalität und Mortalität sich allmählich verschoben haben – das Phänomen des Sterbens am Kurort ist geblieben.
(Keil, G., Europäische Wissenschaftsbeziehungen, Band 4, 2012)