Liebe Leserinnen und Leser,
einige von Ihnen werden sich vielleicht an das „Weihnachtsthema“ des letzten Jahres erinnern. Schonungslos – und zu Recht – haben wir die alljährliche Spendenmanie der Weihnachtszeit kritisiert („Unsere Spenden – Ein trojanisches Pferd“). Es entstand die Idee, den Reisebericht über eine kürzlich beendete Afrika-Reise in Form eines Leserbriefes zu veröffentlichen. Bei dieser Reise bekamen die beiden Autoren erschreckende Einblicke in die Spenden-Realität vor Ort. Diesen Brief möchten wir Ihnen nicht vorenthalten.
Als wir vor neun Monaten zu einer Rundreise durch den afrikanischen Kontinent aufbrachen, hatten wir eher eine vage Vorstellung von dem, was uns dort erwarten würde. Sicher waren wir uns aber, daß wir mit Armut, Hunger
und tiefstem Elend konfrontiert würden. Flattern uns doch wöchentlich Briefe ins Haus, die um Spenden für das hungernde Afrika bitten. Die Medien sind gerade jetzt zur Vorweihnachtszeit voll mit Berichten vom afrikanischen Elend. Glücklicherweise werden die Bankverbindungen immer gleich mitgeliefert, so daß man nur flugs den Kugelschreiber zücken muß oder per online – Banking über Mausklick seinen Beitrag beim Kampf gegen die Armut leisten kann. Klar – auch wir haben ein Patenkind in einem Dritte-Welt-Land unserer Wahl, das wir monatlich mit 30 EUR unterstützten, unsere alten Kleider wandern nicht in den Müll sondern in die Container des Roten Kreuzes und wir überzeugten unseren Chef jedes Jahr wieder, vom Präsentkorb mit Christstollen abzusehen und doch lieber einen satten Betrag für eine der bekannten Hilfsorganisation springen zu lassen. Heute, nachdem wir 29 Länder Afrikas bereist haben, darunter Staaten wie Äthiopien, Niger, Eritrea und Zimbabwe, werden wir unsere Möglichkeiten zur Hilfe anders einsetzen. Und das mit gutem Gewissen. Begegnete uns auf den Pisten und wenigen Straßen Afrikas ein Geländewagen, so konnten wir sicher sein, daß es sich dabei um einen protzigen weißen Toyota handelte, auf dem stolz in großen Lettern der Schriftzug einer Hilfsorganisation prangte. Kommt man mit den Fahrern dieser Gefährte ins Gespräch, so erfährt man, daß sie nicht etwa Hilfsarbeiter sind, sondern als Chauffeur bei einer Organisation tätig sind und sich gerade auf dem Weg zur Villa ihrer Arbeitgeber befinden. In dieser Villa wartet bereits der Koch auf das soeben aus Europa eingeflogene stille Mineralwasser und auch der Hund wird sich über das Futter aus der Heimat freuen. Der Chef befindet sich in der Zwischenzeit im schmucken Gebäude der Organisation, das
Besuchten wir die exotischen Märkte, wo neben Obst, Gemüse, Gewürzen, Kalebassen und vielem anderen auch Kleidung angeboten wurde, so fanden wir dort unsere sorgsam gesammelten und gespendeten Altkleider wieder. Nicht etwa in einer humanitären Kleiderausgabe – nein, die Stöffchen wurden zum Kauf feilgeboten. Zunächst waren wir noch erstaunt über das was wir sahen. Im Verlaufe unserer Reise lernten wir dann aber, daß dies wohl kein Einzelfall sondern eher die Regel ist. Sicherlich sickert von den gespendeten Geldern auch etwas bis hinunter zu den Bedürftigen. Allerdings mußten wir lernen, daß diese über Jahrzehnte praktizierten Schenkungen nicht ohne Auswirkungen auf die Kinder geblieben sind.
Noch im entlegensten Winkel des Kontinents steht ein weißer Mensch mit dem Weihnachtsmann auf einer Stufe. Wo auch immer man hinkommt, wird man sofort von einer Traube von Kindern umringt und mit Rufen überschüttet „Donnez-moi un cadeau“, „Give me – give me“. Sprechen die Kinder auch sonst kein Wort Französisch oder Englisch, diese Worte beherrschen sie alle. Sobald ältere Afrikaner die bettelnden Kinder um uns herum sahen, kamen sie dazu und verscheuchten die Kinder. Für sie ist es ein Greul mit anzusehen, daß aus ihren einst stolzen Stämmen eine Generation von Bettlern hervorgeht, wie uns ein alter Mann aus Äthiopien erzählte. Nach allem was wir auf unserer Reise mit eigenen Augen gesehen haben, sind wir uns der Komplexität des Themas Hilfe für Afrika bewußter geworden. Und mit Sicherheit werden wir unsere Hilfe nicht mehr den geldverschlingenden weißen Riesen in den Rachen schmeißen.
Autoren: Judith Bräuer & Christof Leffler,
eingesandt von Regina Leffler, Glandorf